Benzingespräche

Eine ältere Britin muss zum TÜV

Normalerweise wird sie gerne angeschaut und bewundert. Doch heute ist alles anders: Die Aufmerksamkeit ist stets da und die Blicke gehen tief in jede vorhandene Rundung. Ein bisschen unangenehm ist das unserer Dame schon. Am Anfang ziert sie sich deshalb ein bisschen.

Heute ist ein großer Tag für den kleinen Ford. Unsere Anglia bekommt heute neuen TÜV.

Nachdem Anglia bei unserem Fachtag BELMOT am 21.04.2016 in der Klassikstadt als Sympathieträgerin und Markenbotschafterin unsere zahlreichen Gäste in Empfang nehmen durfte, haben wir einige Tage später unsere Partner der FSP-Prüftstelle Frankfurt aufgesucht.

Fabian Ebrecht und Sebastian Hoffmann, unsere Classic Car Consultants, haben seit einiger Zeit dort ihr Büro und sind unsere Ansprechpartner, wenn es um Fahrzeugbewertungen geht - aber natürlich kann hier auch die TÜV-Prüfung oder die H-Abnahme erfolgen.

"Einmal TÜV neu", war die Devise. Bei so einem Termin darf man schon einmal ein wenig nervös sein. Bei unserer kleinen Anglia ist die Nervosität spürbar, was sich dadurch bemerkbar macht, dass sie partout nicht anspringen will. Englische Autos mit Lukas Zündspulen gelten als zickig, aber totale Arbeitsverweigerung ist eigentlich nicht ihr Ding. Heute schon, und die altersschwache Batterie ist auch zügig leergenudelt. Also eine Ersatzbatterie beschafft - und weitergeorgelt. Ohne Erfolg - so war das nicht gedacht, bei allem Respekt.

Also noch einmal zu dem Schraubern der Pyritz-Werkstatt, ein Werkstatttor weiter. Dort vier Zündkerzen Bosch W7 DC - oder so ähnlich - organisiert. So wird der TÜV-Termin zum Schraubernachmittag mit Kaffee. Sebastian Hoffmann bekommt symbolisch den Kerzenschlüssel überreicht, er hat sich schon mehrmals als Fan englischer Autos geoutet! Vier neue Kerzen gleiches Ergebnis, am Sprit kann es nicht liegen, alle Kerzen sind klitschnass und ein Zündfunken ist auch vorhanden. Also mal die Zündspule untersucht und siehe da - die Kiste läuft.

Vier ratlose Gesichter blicken auf einen tadellos rund laufenden Motor, der weder hustet noch sich verschluckt. Eine wirkliche Erklärung gibt es tatsächlich nicht, außer, dass wir alle Kabel durchwackelt haben und auch das zur Verteilerkappe einmal streng angeschaut haben - abgesehen davon, wir brauchen nur TÜV und keine AU. Baujahr 1965, wo gibt es eine Richtlinie, dass zu HU der Motor laufen muss - wir wissen es tatsächlich nicht…

Also noch schnell drei Runden um die Klassikstadt gedreht, damit die Batterie ein wenig geladen wird und der Motor nicht gleich wieder ausgeht und los geht’s.

Rein auf den Bremsenprüfstand, die Werte sehen gut aus, vorne, hinten und die Handbremse auch.

Mit seinen vier sehr leicht zu schaltenden Gängen auf Mitteltunnel und dem kleinen 997cm3 Kent Motor mit dem Klang, der jedem vertraut ist, der zwischen 1976 und 2000 irgendwann einmal in einem Ford Fiesta gefahren ist - ist die kleine Anglia ein recht modern ausgelegtes Fahrzeug - und braucht den Vergleich mit dem europäischen Festland nicht zu scheuen, prinzipiell ist auch der sog. Hundeknochen Escort als Mk 1 nur ein groß ausgefallenes Facelift, technisch hat er eindeutig Anglia-Gene.

Weiter geht es auf die Hebebühne und siehe da, vor 50 Jahren waren die Autos definitiv kleiner als heute. Noch kleiner dürfte die Anglia nicht sein, man bekäme in diesem Fall die Achsen nicht entlastet. Keine Ahnung wie man auf einer solch modernen Bühne einen originalen Fiat Cinquecento oder eine Austin Mini prüft, aber schließlich gibt es ja noch den guten alten Wagenheber.

Wer unsere Anglia bereits kennt, der weiß, dass sie in ihrem ersten Leben ein behütetes Dasein in den Pyrenäen führte. Was man von unten sieht, kein Rostloch, kein nachträglich eingeflicktes Blech verunstaltet den Unterboden - zum ersten und letzten Mal wurde an diesem Auto im Mai 1965 geschweißt.

Regelmäßig fällt bei solchen Autos dann der Satz - "ungeschweißter Originalzustand" das löst bei mir immer ein Schmunzeln aus, da man ja im Werk Dagenham in den 1960er Jahren die Autos auch nicht mit Uhu zusammengeklebt hat.

Hauptsache, der Prüfer hat nix zu meckern, lediglich der rechte Frontscheinwerfer, der abweichend vom Original auf H4 umgerüstet wurde, scheint minimal zu tief. Aber da die Anglia so auch niemanden blendet, ist das nicht einmal einen Eintrag auf der Mängelliste wert - und siehe da, wir haben problemlos TÜV erhalten.

Noch schnell die neue Plakette draufgeklebt und schon geht es zurück in die Heimat nach Mannheim.

Jetzt steht Anglia wieder trocken in der Tiefgarage und wartet dort schon sehnsüchtig auf ihr nächstes Abenteuer.

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