Benzingespräche

Die erste S-Klasse: 50 Jahre Baureihe W116

„Ein Schiff wird kommen“, sang Lale Andersen 1960 in einem Lied, das nach Fernweh klang. Das Schiff, um das es in diesem Beitrag geht, ist gut gegen Fernweh: Es ist die Baureihe W116.

Die Baureihe W116 präsentierte Mercedes Benz vor 50 Jahren – im September 1972 in Paris –  der Öffentlichkeit. Gleichzeitig ist sie ein sprachliches Novum für die Stuttgarter Autobauer, die zum ersten Mal von der S-Klasse sprachen. Somit war der Vorgänger W108 mit einem Mal zur „alten“ S-Klasse degradiert. Zwar gab es das Kürzel „S“ bereits seit den späten 40er Jahren als 170 S oder 1951 als 220S und auch der Adenauer trug ein S hinter seiner 300. Der Mercedes 600 als Klasse für sich wiederum benötigte diesen Zusatz nicht, er stellte seit jeher eine Klasse für sich dar.

Die Entwicklung des W116 begann mit der Einführung des W108 Mitte der 60er Jahre. Das Novum dabei war, dass wo immer möglich, nicht mehr am Reisbrett, sondern am Computer entwickelt wurde. So wurden beispielsweise die Knautschzonen, die die Fahrgastzelle schützen sollten, nicht mehr durch Versuch und Irrtum ermittelt, sondern ganz konkret vorab mit dem „Elektronengehirn“. Erste Versuchsfahrzeuge wurden ab 1970 gesichtet und die auf der IAA 1971 geplante Premiere musste um ein ganzes Jahr verschoben werden. Der Branchenverband hatte die IAA schlicht abgesagt, aufgrund düsterer Aussichten. Geschadet hat es dem Modell nicht. Optisch an die 1971 erschienene Baureihe R107 angelehnt, stellte es eine ganz markante Neuerscheinung dar und verabschiedete somit das 50er- und 60er-Jahre Design.

Auch die Internationale Fachpresse war überzeugt, dass Mercedes Benz etwas Großartiges auf die Räder gestellt hatte. Es folgte direkt nach der ersten Ölkrise 1973 der Titel „Auto des Jahres“. Immerhin bis heute der einzige Mercedes Benz, der diesen Titel verliehen bekam.

Mit einer Motorenpalette vom 280 S bis zum 450 SEL 6.9 war vom Buchhalter bis zum Konzernvorstand für jeden die passende Motorisierung dabei.

Gab es die 2,8 Liter Vergaservariante für die konservativen Einsteiger parallel zum M110 280 E Einspritzmotor, so waren 350 SE und 450 SE immer mit einer D-Jetronic, ab 1977 mit der ebenso zuverlässigen K-Jetronic ausgerüstet. Die D-Jetronic ist nach heutigen Maßstäben betrachtet eine zuverlässige und ausgereifte Konstruktion. Ihr Ruf der Unzuverlässigkeit und Störungsanfälligkeit liegt damals wie heute darin begründet, dass oftmals Schrauber am Werk waren, die besser die Finger davon gelassen hätten.

Auch die Vergaser brauch(t)en kundige Hände: Diese Version gab es allerdings auch nicht als SEL also Version mit verlängertem Radstand, der klassisch den Fondpassagieren zu Gute kommt.

Es folgten knackige Werbekampagnen, mit überzeugten S-Klasse Fahrern, die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit betonten in den Jahren nach der Ölkrise ein neues Format, das Sachlichkeit und Fakten betonte, weniger die Emotion. Es sollte rationale Käufer überzeugen. Erfolgreich wurde er mit über 435.000 verkauften Einheiten, von knapp denen 300 auch als gepanzerte Limousinen für gefährdete Passagiere mit Panzerung ausgeliefert wurden. Daimler-Benz brachte bis 1980 über 50.000 W116 mehr an den Mann und Frau als vom erfolgreichen Vorgänger W108 und W109.

Erst die Baureihe W126, die als Nachfolger 1979 antrat, machte aus der S-Klasse ein „Massenauto“. Sie lief in ihrer 11jährigen Bauzeit inklusive Coupé fast 900.000 Mal vom Band.

Technisch in vielen Punkten der Konkurrenz eine Nasenspitze voraus und in Punkto Sicherheit maßstabsetzend, kamen im Alter gerne Rostprobleme hinzu.

Wie fast alle Modelle aus den 1970ern, kommen mehrere Faktoren zusammen. Die salzigen Winter trafen auf mäßige Rostvorsorge, welche auf qualitativ schlechtes Recyclingblech traf. Somit ist bei einem Kauf ein Blick auf die Karosserie unerlässlich.

Technische Komponenten lassen sich relativ problemlos tauschen, aber auch verschlissene, ungepflegte Innenausstattungen können Nerven kosten, weil es Teile nur noch gebraucht gibt, oder der Gang zum Sattler teuer werden könnte.

Kaufberatungen gibt es online zur Genüge.
 



Text und Bilder von Ralf  

 

 

Zum Anfang