Benzingespräche

Porsche als Lebensbegleiter

Ein BELMOT-Interview mit CURRUSPERITUM-Gründer Torsten Rüttger

Torsten Rüttger übernahm vor einigen Jahren das Unternehmen seiner Eltern und gründete die Hermann Rüttger Gmbh. Was blieb und was änderte sich durch die neue Unternehmensausrichtung? Das erfuhren wir in einem langen Gespräch, (in dem es übrigens auch um eine Zusammenarbeit mit BELMOT in der Zukunft ging - mehr wird noch nicht verraten). Torsten Rüttger verrät jedoch, was sich hinter dem spannenden Begriff CURRUSPERITUM verbirgt.

Torsten Rüttger in der Werkstatt. Bildrechte: Hermann Rüttger GmbH

BELMOT: Die Herrmann Rüttger GmbH ist ein Unternehmen, das in 2. Generation geführt wird. Um einen Vergleich zu heute ziehen zu können, zunächst ein Blick zurück: Mit welcher Idee wurde das Ursprungs-Unternehmen vor 50 Jahren gegründet?

Meine Eltern kamen über ihre Ausbildungswege zu ihrem eigenen, gemeinsamen Unternehmen:  Mein Vater hatte KFZ-Mechaniker-Meister gelernt, meine Mutter war kaufmännisch ausgebildet und war in diesem Bereich tätig. In den 70er Jahren haben sie dann gemeinsam als Einzelunternehmer eine freie KFZ-Werkstatt, völlig frei für alle Marken, gegründet. In Folge haben sie dann auch Erfahrungen im Motorsport gesammelt und beschäftigten sich intensiv mit diesem Bereich. So wuchs das Unternehmen und was man heute als Oldtimer versteht, waren damals ja aktuelle Autos. Insofern war es für uns in der Moderne auch kein Problem, das Konzept zu übernehmen. 

Heute, in 2. Generation, haben wir eine etwas andere Philosophie, weil man sich doch etwas anders aufstellen muss, als vor 40 Jahren aber dennoch haben wir auch vieles beibehalten, d.h. wir haben versucht, die Schnittstelle von alt und modern zu berücksichtigen: Wir haben immernoch die alte Technik im Programm und das Handwerktum dazu auch. Auf der anderen Seite muss man auch mit der Zeit mitgehen und die sich wandelnde Technik berücksichtigen, so dass wir auch aktuelle Fahrzeuge mitbedienen können. So geben wir jungen Leuten die Möglichkeit, alte Technik zu erfahren, d.h. Mechanik als auch Elektronik zu erleben, um dieses große Wissensspektrum erhalten und weitertransportieren zu können.

Bildrechte: Torsten Rüttger / Hermann Rüttger GmbH

Sie erwähnten bereits den Motorsport. Aber nochmal konkreter: Als freie Werkstatt haben Ihre Eltern bereits Anfang der 1980er Jahr Porsche-Rennfahrzeuge für die Langstrecken-Weltmeisterschaft vorbereitet und betreut. So etwas kommt nicht in jeder Werkstatt vor. Wie begann diese Spezialisierung? War dies von Anfang an der Plan oder hat es sich durch einen glücklichen Zufall so ergeben?
Die Grundphilosophie, sich auf den Motorsport auszurichten, war eigentlich in der Firma gar nicht vorhanden, obwohl mein Papa schon als kleiner Junge motorsportaffin war. Wenn es z.B. ums Eberbacher Bergrennen ging, ging er schon als Fan hin. Der Gedanke jedoch, in ein Rennteam zu gehen, war bewusst nicht da trotzdem hat es sich einfach ergeben. In Eberbach gab es dann tatsächlich mit Siegfried Brunn, der sich im Langstrecken-Sport etabliert hatte, eine Verbindung zu meinem Vater, der als Mechaniker dazugestoßen ist und die Fahrzeuge mitbetreut hat. Das waren damals aktuelle Fahrzeuge, die später dann in der Moderne als historische Fahrzeuge beispielsweise ins Porsche-Museum überführt wurden.

Apropos Porsche Museum: Sie haben ja viele Fahrzeuge, die heute im Porsche Museum stehen, restauriert, gewartet oder grundaufgebaut. Wie hat sich dieser Kontakt ergeben?
Tatsächlich über den Motorsport. Die Langstrecken-Weltmeisterschaft war Anfang der 80er Jahre Gruppe C-lastig, Stichwort Stefan Bellof. Klaus Bischof war damals Renningenieur und dann in der Gruppe C bei Stefan Bellof am Auto. Mein Vater hat hauptsächlich Privatteams im Rennsport betreut, da bildeten sich viele Kontakte. Klaus Bischof war dann später, ab Anfang der 90er Jahre, für das Porsche Museum zuständig, mit dem Auftrag, ein „rollendes Museum“ aufzubauen. Das werksinterne Museum hatte damals aber noch keine fahrbereiten Fahrzeuge und so kam der Kontakt zu meinem Vater. Er hatte im Rennsport damals schon Autos vorbereitet, die durchaus konkurrenzfähig zum Werk waren, was nicht immer üblich war. Und so wurde mein Vater gefragt: „Könntest Du Dir vorstellen, mit uns unsere alten Autos wieder zum Leben zu erwecken?“ Das hat dann angefangen mit einem Porsche 550 Spyder und einem Porsche 356 für die Mille Miglia und wurde dann international relativ schnell groß, weil es ein Boom war, solche Oldtimerveranstaltungen mitzuerleben. Einerseits als Hersteller, auf der anderen Seite natürlich auch, um einen eigenen Bereich zu kreieren und um medial präsent zu sein – das war Porsche wichtig. 

"Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein."
Ferdinand Porsche

Um wie viele Fahrzeuge ging es hierbei?
Innerhalb von 25 Jahren wurden bis zur Einweihung des neuen Porsche Museums insgesamt 96 Fahrzeuge aufbereitet, vom 356 Nr. 1 Roadster bis zum GT1 Le Mans Siegerfahrzeug. Es ging dabei immer darum, dass sie tatsächlich fahrbereit wurden. Das hat man wirklich international umsetzen können. Dadurch kamen natürlich sehr viele wertvolle Kontakte zustande und mein Vater wurde gefragt: „Wenn Du das für das Werk machst, kannst Du das auch für uns machen?“. 

Nun ein Blick Richtung Gegenwart: 2013 folgte dann die Gründung der Hermann Rüttger GmbH und die Übernahme durch Sie, Torsten Rüttger, der frischen Wind ins Unternehmen gebracht hat. Was änderte sich, was wollten Sie bewirken?
Richtig, 2013 erfolgte dann mit der Gründung der GmbH und meiner Übernahme des Einzelunternehmens meiner Eltern der Generationenwechsel. Und wie das in solchen Fällen ist: Die Jugend hat meist andere Gedanken, vielleicht eine andere Philosophie, weil sich die Zeiten ja auch ändern. Wir haben allerdings zwar die Philosophie geändert aber auch vieles beibehalten und mit der Moderne ergänzt. Nachdem ich bis dahin beruflich Einblick in andere Unternehmen gesammelt hatte, wollte ich manche Dinge verbessern, die ich als Mitarbeiter oder Kunde bei anderen Unternehmen vermisst habe oder sogar satthatte. Ich habe mich ganz bewusst für die Selbständigkeit entschieden, um manche Dinge, gerade was die Kundenbetreuung betrifft, besser angehen zu können. Das hat uns auch dabei geholfen, den richtigen Zielkunden zu definieren und zu finden, der unser Alleinstellungsmerkmal oder auch das Abheben von der Masse schätzen kann und auch bereit ist, für diese hohe Qualität einen höheren Preis zu zahlen.  
Wir hatten uns dazu entschieden, uns zukünftig nicht mehr auf jede Marke einzulassen, die wir zuvor betreut und gewartet haben – in Summe waren das 55 Marken. Es war nicht zukunftsweisend, solch eine breite Masse anzubieten, da es zu viel Zeit und Invest erfordert. Wir mussten uns also neu positionieren und auf 4-5 Kernmarken konzentrieren, mit der zentralen Marke Porsche und ihrem großen Kundenklientel und einmaligen Referenzen weltweit. Auch im Umfeld gab es mit VW, Audi, Seat und Skoda eine starke Verbundenheit. Genau die Kernkompetenzen, die bei Porsche weltweit gelten, können wir jetzt im Service, in der Bestandsaufnahme, generell im gesamten Kundenbetreuungsprozess umsetzen und anbieten. 

"Ich konnte den Sportwagen meiner Träume nicht finden,
also habe ich ihn selbst gebaut."

Ferdinand Porsche

Bildrechte: Torsten Rüttger / Hermann Rüttger GmbH

Wie ging Ihr Vater, der ja den Grundstein zu allem gelegt hat, mit der neuen Philosophie um, die breite Markenmasse aufzugeben und sich auf nur wenige zu konzentrieren? Gab es seinerseits Skepsis oder gleich Unterstützung?
Es gab natürlich schon ein paar Gewissensbisse zwischen uns. Wir kennen uns nun nicht nur als Vater und Sohn, sondern eben auch als Geschäftspartner. Wir sind ja beide Gesellschafter der heutigen GmbH, damals war alles zu 100% seins. Er merkte aber auch, dass es mit seiner Philosophie allein zukünftig nicht so weitergeht. Er brauchte den Input der jüngeren Generation, wenn es weitergehen sollte.

Das Verständnis und seine volle Unterstützung (die auch heute noch gilt) waren gegeben aber das Loslassen war für meinen Vater nicht einfach, das ist ja logisch. Wir haben uns sehr viel unterhalten und er ist heute noch mit seinem Wissen mit im Unternehmen drin. Das Thema ist aber: Wie lässt man das Wissen in der Firma und transportiert es weiter auf die nächste Generation? Heute haben wir die wunderbare Möglichkeit der Digitalisierung. Wir können aufzeichnen, aufschreiben und Videos drehen und das machen wir auch, einfach, damit wir für uns ein gewisses Grundwissen erhalten, das wir über die Jahre aufgebaut haben. Hier gibt es Mitarbeiter, die bereits 20 oder 30 Jahre hier mitarbeiten. Wir haben jetzt ein umfangreiches digitales Archiv, in dem alle Arten von Dokumenten schlummern, ob es jetzt Berichte zu einzelnen Teilen sind oder Abänderungen von Fahrzeugen, damit man sich erinnern kann, wenn das Fahrzeug nochmal kommt. Gerade bei Rennfahrzeugen, die man nicht alle Tage hier stehen hat, hat man umfangreich digitalisiert und somit dokumentiert.

 Bildrechte: Torsten Rüttger / Hermann Rüttger GmbH                                                                                                                     

Ein ganz wichtiges Thema: Digitalisierung. Einer Ihrer Schwerpunkte liegt seit 2019 auf einem speziellen, digitalen Angebot, „CURRUSPERITUM“. Wie kommt man auf solch einen besonderen Namen, den man sich nicht gleich erklären kann? Und eine zweite Frage gleich hinterher: Welche Angebote und Informationen finden Interessenten bei CURRUSPERITUM?
Der Name CURRUSPERITUM ist eigentlich nur ein Wortspiel aus zwei lateinischen Worten: Der Wagen („Currus“) und das Wissende („Peritum“). Wenn man das zusammensetzt, kommt man auf das Synonym „Autoexperte“. Wir haben so viel Wissen und Kompetenz im Unternehmen und seinen Mitarbeitern verankert aber hatten zuvor noch keine digitale Sichtbarkeit. Wir setzten also eine komplett neue Plattform auf, die auf uns abzielt, nicht auf uns als Werkstatt, sondern auf uns als Enthusiasten. CURRUSPERITUM ist als Wissensplattform rund um das Thema Porsche entstanden, ergänzt um einen Shop für Fahrzeuge und Teile.

Wir wollten auch hier ein eindeutiges Statement setzen, indem man sagt, man nimmt mal eine andere Sprache und auch gleich eine Frage mit ins Spiel, die sich jeder stellt: „CURRUSPERITUM ­– Was ist das?“ Man hat somit eigentlich immer gleich ein Gesprächsthema. 

Beruflich dreht sich bei Ihnen also alles um Porsche. Was begeistert Sie selbst an der Marke? 
Wir haben im Wesentlichen eine Spezialisierung auf Porsche, richtig. Diese Begeisterung für die Marke ist gewachsen. Meine Eltern hatten keinen Fokus auf Porsche aber es war damals das klassische Langstrecken-Rennsportfahrzeug. Ich war schon als kleiner Bub im Rennauto gesessen, habe später auch Motorsport gemacht (Kart Sport) und es kam der ein oder andere Kontakt dazu. Ich habe auf Veranstaltungen immer wieder Vergleiche der verschiedenen Marken mitbekommen, da war die Markenbildung damals sehr schnell bei mir präsent.
Porsche ist eine Marke, die nicht immer so stabil war, wie sie heute dasteht, die aber immer, wenn es um den Sportcharakter ging, Ausstrahlung gehabt hat. Porsche war immer präsent im Motorsport, war immer eine Nummer für Erfolg, das nutzt man dann natürlich auch für sich und identifiziert sich damit.  Porsche hat schon immer eine klassische Form, spricht eine eigene Sprache in der Historie, das hat mich von Kindesbeinen an geprägt und es mir bis heute angetan.

Wenn Sie sich einen Fuhrpark aus fünf Fahrzeugen zusammenstellen dürften (Kosten spielen keine Rolle): Für welche fünf Fahrzeuge würden Sie sich entscheiden?
Ich komme gleich auf die Fahrzeuge zu sprechen. Das Problem ist dabei nur, wenn man viele Fahrzeuge hat, möchte man sie auch fahren und dazu fehlt die Zeit. Das ist ja bei den meisten immer das Handicap... 

Grundsätzlich ist es bei mir auf zwei Marken herunterzubrechen:
Ich bin führerscheinlastig mit VW groß geworden. Für mich war VW immer eine Marke mit Anspruch, weil die Qualität immer gestimmt hat. Das mag nicht mehr in jedem Auto erkennbar sein aber man konnte immer selbst in der Werkstatt daran arbeiten. Man hat das Auto verstanden und man war sicher unterwegs. Ich fahre im Alltag gerne VW Golf, das wäre ein Auto in meiner Größenordnung, was ich gerne nutze. Wenn es bissl größer sein soll, kann es auch ein Kombi sein, wie ein Passat oder auch ein SUV.
Klassischerweise bin ich dann aber wieder beim Porsche: Das ist mittlerweile auch ein Alltagsfahrzeug. Jetzt gibt es ja zwei Generationen, die luftgekühlten und die wassergekühlten. Von der luftgekühlten Welt hänge ich am 993, der letzten Version des 911. Eine unglaublich schöne, klassische Form und technisch sehr gut umgesetzt. Ein Fahrzeug mit großem Werterhalt, das mit Sicherheit in 20 Jahren auch noch Nachfrage erzeugt.
Und dann würde ich auch noch ein Allradmodell, den 4S, wählen. Er ist sehr nahe am Turbo, hat aber diesen brachialen Flügel nicht, was viele ansprechend finden, ich aber im Alltag eher nicht. Und dann noch eine Abwandlung, den 993 S, den kennen nicht so viele. Zumal die Stückzahl gering ist. Er hat auch die Turbokarosserie aber nicht mehr diese klassische Allradtechnik vom 4S. Das sind Autos, auf die ich ein Augenmerk habe, wenn ich sie sehe.
Ich kann mich auch mit den modernen Autos anfreunden, wenn es denn kein reines E-Auto ist. In dieser Welt bin ich noch nicht so ganz angekommen. Die aktuelle Version des 718 Cayman GT4 finde ich sehr interessant.

Bildrechte: Torsten Rüttger / Hermann Rüttger GmbH

Welche Ziele haben Sie sich für die Entwicklung Ihres Unternehmens in der Zukunft gesetzt?
Aktuell haben wir als ganz wichtiges Ziel, digitale Sichtbarkeit zu erreichen.
Uns ist immer wieder aufgefallen, dass Neukunden von anderen Werkstätten nicht so betreut wurden, wie sich das eigentlich gehört. Manchmal fehlt die Kompetenz, ja. Das ist es aber nicht immer. Manchmal fehlt auch die Transparenz, die ja aus der Kompetenz kommt. Man macht einen Ölwechsel aber hat den Weitblick nicht, zu sagen, da ist noch ein bisschen was anderes am Auto zu machen. Hier haben wir ein konkretes Konzept erarbeitet, das jedem Kunden zuvorkommt und das er auch sehr schnell versteht. Von der Bestandsaufnahme bis zur Abholung. So hat er einen Plan und Überblick über mögliche zukünftige Kosten in den nächsten ein bis drei Jahren. Wir halten die Termine so klein wie möglich für den Kunden, um ihn nicht jedes Vierteljahr zu uns fahren zu lassen sondern gesammelt auf einen Termin. Dieses Leistungsspektrum versucht man z. B. jetzt auch in der digitalen Sichtbarkeit darzustellen.

Das zweite Ziel ist genauso wichtig: Es geht uns darum, die Kompetenz hier drinnen zu halten, in dem man junge Leute nachzieht. Das ist durchaus ein Problem, weil es immer weniger Menschen gibt, die das Berufsbild des KFZ-Mechatronikers verfolgen. Es ist genauso schwierig, das vorhandene Wissen weiter zu digitalisieren und neue Bereiche mit aufzunehmen (Stichwort Lackierung, Karosserie und Sattlerei). Wir haben natürlich Partner, mit denen wir eng zusammenarbeiten, bei denen aber auch die Existenz und der Generationswechsel nicht immer gesichert sind. Hier versuchen wir auch Gespräche zu führen, denn wir möchten ja das Unternehmen und die Zusammenarbeit noch viele Jahrzehnte weiterführen.
Und natürlich haben wir auch Interesse, mit Partnern zusammenarbeiten, die nicht im Alltag in jedem Schritt sichtbar tätig sind, die aber im Hintergrund sehr deutlich zum Tragen kommen, z.B. mit BELMOT. Hier kommt auch die gleiche Leidenschaft zum Vorschein, die man nicht überall findet.  

Wir freuen uns sehr auf weitere Gespräche und danken Ihnen im Namen von BELMOT für die bisher bereits genommene Zeit!


Das Interview führte Sven von BELMOT. Text von Isabelle 

 

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Fotostrecke beim Interviewtermin (Fotos: Sven von BELMOT)

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