Aus der Werkstatt

Beauty-Session für den Mercedes 380 SE W126

Thomas Schäfer von Glanzpunkt Wagenpflege legt ein letztes Mal die Poliermaschine an

Von Zeit zu Zeit braucht jeder Zuneigung. Autos sind da keine Ausnahme. So hatte auch der Mercedes Benz 380 SE W126 von Ralf eine kleine kosmetische Aufbereitung notwendig. Nicht überraschend, wenn der Erstbesitzer dem Jahrgang 1938 angehört und somit nur noch selten eine Handwachspflege angedeihen ließ.

Fotos: Ralf von BELMOT | Mannheimer Versicherung AG

Das Ungewöhnliche ist, dass außer ein paar kleinerer Macken das Auto insgesamt noch im fabelhaften Zustand ist. Sogar der erste Lack von 1985 wurde noch nie erneuert. Typische Rentnerschäden, die man erwarten würde, sind an diesem Mercedes glücklicherweise nicht zu finden. So sucht man vergebens nach Dellen oder Kratzern, weil man einen Pfosten übersehen oder das Garagentor mal nicht getroffen hat. 

Doch eine Pflege braucht das Auto trotzdem definitiv. Also mache ich mich auf den Weg ins hessische Linsengericht zu Glanzpunkt Wagenpflege. Wie sich erst nach unserem Termin herausstellt, packte Thomas Schäfer von Glanzpunkt Wagenpflege exklusiv für BELMOT die Poliermaschine aus und zeigte, als alter Hase, dass er noch nichts von seinem Können verlernt hat.

Unser Patient ist pajettrot-metallic und Baujahr 1985. Bemerkenswert, wenn man weiß, dass wirklich erst ab Mitte der 1980er Jahre diese Farbe als Lackierung für Mercedes Benz angeboten wurde. Daher ist diese Farbe auf der sogenannten „Ersten Serie“ des W126, eigentlich super selten, steht dem Auto aber sehr gut, wie man erkennen kann.

Gerade in Kombination mit Bruno Saccos (Sacco war von 1958 bis 1999 Automobildesigner bei Mercedes Benz) farblich abgesetzter, geriffelter Verkleidung des unteren Bereiches vom Auto, präsentiert sich der Mercedes als klassische, ebenso wie zeitlose Erscheinung. Das Leder in Farbton „Dattel“ verstärkt diese Wirkung nur noch immens.

33 Jahre Handwäsche gehen auch an einem Klarlack nicht spurlos vorüber, wie man definitiv an den Fotos erkennen kann. Man bedenke, dass Lackdefekte nicht leicht mit der Kamera einzufangen sind. So werden die Schäden, die durch den Mangel an Polieren entstanden sind, nur noch deutlicher.

Die Möglichkeiten, effektiv und schonend für originale Lacke, ein Optimum an Glanz und Pflege herauszuholen, haben sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt.

Daher, ist die hier gezeigte Makita Poliermaschine auch nur etwas für Härtefälle und geübte Hände. Ohne Erfahrung kann hier schnell zu viel Lack abgetragen werden. Die akkubetriebene Maschine, sorgt für eine gleichmäßige Politur, wo früher nur mangelhafte und schweißtreibende Handarbeit half.

Wurden leichte Lackschäden meist mit einem 2000er oder 3000er Schleifpapier vorbehandelt, so sind seit einiger Zeit Mikrofaserpolierscheiben auf dem Markt, die je nach Lackzustand den kompletten Arbeitsgang des Vorschleifens entfallen lassen.
Wichtig auch hier: Fingerspitzengefühl!
Wer das hat, schafft auch mit einem Schleifvlies, oder einer 3000er Körnung, Lack im μm-Bereich abzutragen (1 mm = 1.000 μm). Eine Messung am Kofferraumdeckel ergab eine Original-Lackstärke von 116μm vor der Behandlung mit Schleifmittel und Politur. Nach der Behandlung ist eine Lackstärke von 115 μm messbar.

Bei entsprechender Erfahrung wird also wesentlich weniger „Original-Substanz“ zerstört, als man es erwartet. Ein so geschützter Lack wird im Oldtimerbetrieb ohnehin nur selten Wind und Wetter ausgesetzt. So kann man annehmen, dass bei entsprechender Pflege, ausschließlich mit konservierenden Wachsen, nie mehr poliert werden muss.

Nachdem zunächst die geraden Flächen, also Motorhaube, Kofferraumdeckel und Dach in zwei Arbeitsschritten poliert und konserviert wurden, ging es an die vertikalen.

Parallel konnte der Innenraum gründlich gereinigt und von dem Aroma der letzten Jahrzehnte erfolgreich befreit werden. Als Innenraumreiniger kann hier mit einem Lederreiniger gearbeitet werden. Vorerst wird jedoch geraten, diesen immer an einer unauffälligen Stelle zu testen.
Lederreiniger haben den Vorteil, dass sie Fett gründlich entfernen, ohne jedoch alles komplett zu entfetten. Das ist gerade bei dunklem Kunststoff gut, da dieser schnell blasse oder graue Schlieren aufweisen kann.

Selbst die Fußmatten ließen sich manuell mit einer Wildlederbürste, welche teilweise Messingborsten aufweist, ohne großen Aufwand auf Vordermann bringen.

Zugegeben, eines meiner Lieblingsspielzeuge ist das Sprühextraktionsgerät. Es löst jeden Dreck und saugt diesen wunderbar auf. Früher ging das natürlich auch in der eigenen Badewanne, aber heute wäre meine Frau eher nicht so begeistert davon.

Im nächsten Schritt, fahren wir den 380er auf eine Arbeitsbühne, die das Auto in die optimale Höhe bringt.

Wenn man gute Ergebnisse haben will, ist eine Hebebühne für einen Aufbereiter, nicht mehr aus dem Arbeitsleben wegzudenken. Nicht nur für die Körperhaltung ist diese eine große Erleichterung, auch das Ergebnis lässt sich mit entsprechender Beleuchtung wesentlich besser beurteilen.

Vorher – nachher. Kratzer, die nur den Klarlack betreffen werden nicht unsichtbar, aber deutlich gemildert in ihrer störenden Erscheinung. Typisch bei Fahrzeugen, die ihr Leben in einer Garage verbracht haben, die auch anderweitig genutzt wurde.

Das Endergebnis kann sich sehen lassen. In einem viel intensiveren und tieferen Rot erstrahlt der Mercedes Benz 380 SE w126 wieder. Genauso wie im Juni 1985, als dieser in Sindelfingen abgeholt wurde.

 

Zum Schluss berichtet uns Thomas Schäfer stolz, dass nun wirklich Feierabend ist. Doch nicht nur für diesen Tag, denn der Mercedes Benz war sein Abschiedswerk. Er zieht sich nach 12 Monaten „Überlappung“ nun aus dem aktiven Dienst zurück und wird nur noch die „eigenen“ Sammlerstücke pflegen. Er ist sehr froh darüber, Timo Kessler kennengelernt zu haben, der den Betrieb fortführt.

Mit viel Engagement und Leidenschaft führt Timo Kessler Glanzpunkt Wagenpflege seit 2019. Timo Kessler und seine Ziele stellen wir Euch in einem separaten Interview vor.

P.S. : Der Mercedes Benz 380 SE W126 soll ein kleines BELMOT-Versuchsprojekt werden. Wir wollen herausfinden: in welchen Zustand lässt sich das Auto versetzen, ohne es, im klassischen Sinne, zu restaurieren?

Ziel ist es, das Auto in einen neuwertigen Zustand erglänzen zu lassen, ohne originales Material zu ersetzen. Die vorhandene Substanz soll bestmöglich bewahrt werden. Wir halten euch auf dem Laufenden.

 

Text von Ralf 

 

 

 

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