Stilvoll auf Tour
Ein BELMOT-Interview mit Maßschneider Oliver Sinz
Tragen Sie eigentlich Kleidung, die von der Farbe, vom Stil und der Wertigkeit zu Ihrem Oldtimer passt? Schaut man sich auf Messen und Ausfahrten um, werden die wenigsten Besucher nun mit dem Kopf nicken. Wahrscheinlich haben Sie sich darüber noch nie Gedanken gemacht. Warum eigentlich nicht?

Stilvoll unterwegs zu sein, ist Oliver Sinz wichtig. Der Maßschneider hat sich in Berlin auf ganz Außergewöhnliches spezialisiert: Er schneidert Kleidung nicht nur passgenau auf den Leib, sondern auf Wunsch passend zum eigenen historischen Auto oder historischen Rad. Dies bedeutet nicht, im Stil der 20er, 30er, 40er etc. verkleidet zu sein und die Kleidung nur zu bestimmten Anlässen tragen zu können, erläutert Oliver Sinz. „Mein Designanspruch war schon immer, etwas zu kreieren, was auch heutzutage und im Alltag tragbar ist. Keine total ausgefallenen oder strikt historischen Schnitte. Sondern Schnitte, mit denen ich mich im Auto, auf dem Rad, im Business oder auch abends, wenn ich ausgehe, wohlfühle. Mit schönen Accessoires und Detaillösungen, wie etwa praktikablen Taschen etc. Diese lassen die Kleidung immer ein Stück aktuell erscheinen.“
Oliver Sinz berät seine Kunden sowohl persönlich im Atelier und auf Messen als auch als Online-Kleidercoach. Wird ein Outfit passend zum eigenen Oldtimer gewünscht, reichen ihm ein paar gute Fotos des Fahrzeugs um die Farbigkeit und den Stil des Outfits eingrenzen zu können. Als Oldtimerfan verfügt er über gute historische Kenntnisse vieler Fahrzeuge und kann sich entsprechend in den Kunden und sein Bedürfnis einfühlen. Im zweiten Schritt erfragt er weitere Eckdaten wie zum Beispiel „Was begeistert Sie in Ihrem Wagen?“, Zu welcher Jahreszeit möchten Sie das Outfit tragen?“, “Sind die Anlässe, zu denen Sie den Oldtimer nutzen eher sportlichen oder eleganten Charakters? „Aus wie vielen Teilen soll Ihr Outfit bestehen?“ Aus 120 Katalogen mit jeweils 60-100 Stoffen, sucht er dann aus, was farblich und stilistisch passen könnte. Im Anschluss zeichnet er eine Skizze des Outfits mit besonderen Elementen, die zur Person und zum Fahrzeug passen. „Dies kann zum Beispiel eine sportive Weste aus gestepptem Tweed und Loden sein, die vorne bis oben mit einem Reißverschluss statt Knöpfen zu schließen ist. Oder ein komplettes Outfit bestehend aus Hose, Hemd, Weste oder Jacke.“ Manche seiner Kunden bringen aber auch ein Bild eines Outfits mit, das Ihnen vorschwebt. Auch dies ist möglich.
Für seine Schnitte verwendet der Maßschneider nur chemisch unbehandelte Stoffe aus Europa - Baumwolle und Leinen für warme Temperaturen, Wolle und Wollgemische, naturgefärbte Tweedstoffe und Loden für die kühlere, feucht-kalte Jahreszeit. Alle Stoffe kommen aus schottischer, englischer, italienischer und deutscher Fertigung.
„Meine Lodenstoffe erhalte ich von dem Lodenhersteller Mehler-Tuchfabrik in Franken, dessen Traditionsbetrieb existiert bereits seit 1644.“ Sicher kennen Sie Loden als typische Jägerskleidung für den Wald oder auch von bayerischen Trachten. „Loden waren immer schon ein Funktionsstoff, als man noch keine Funktionskleidung wie heute hatte. Das Material ist winddicht, dabei aber atmungsaktiv und wasserabweisend. Man kann es nicht nur an kalten Tagen sondern innerhalb eines großen Temperaturspektrums tragen ohne zu Schwitzen. So ist man für unterschiedliches Wetter perfekt gekleidet.“ Ein weiteres Plus: Die Kleidung aus Tweed und Loden ist quasi unverwüstlich.
Meist lassen seine Kunden ein bis zwei Teile von seinem Label schneidern, die man mit handelsüblicher Kleidung wie zum Beispiel Jeans gut kombinieren kann. Nach und nach stocken sie ihre Garderobe mit maßgeschneiderten Teilen auf. „Es ist sehr schön zu sehen, wenn die Menschen am Ende glücklich sind.“
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Fahr mal hin - Veranstaltungstipp
Vor circa 30 Jahren besuchte Oliver Sinz als Modedesign-Student die chinesischen Produktionshallen, in denen seine Kleidung produziert wurde. Die dortigen unmenschlichen Arbeitsbedingungen rüttelten ihn auf. Ihm wurde klar, dass er dies nicht unterstützen sondern einen anderen, nachhaltigen, Weg finden wollte. Zurück in Deutschland beendete er sein Studium und baute gemeinsam mit seiner Partnerin und bildenden Künstlerin Rani Le Prince ein eigenes Kunst -und Modelabel auf.
Er begann zunächst mit einer reinen, avantgardistischen Damenkollektion mit asiatisch angehauchten, außergewöhnlichen Schnittführungen. Als die beiden mit ihrem Label nach Berlin umzogen, erweiterte er sein Angebot um Maßanzüge für Herren. Heute schneidert sein Label sowohl für Damen als auch für Herren. Eine seiner Spezialisierungen besteht in der Maßschneiderei für Fahrrad- und Oldtimerbesitzer.